Julia und Florian (gemeinsam mit Fabian von unseren Technikkollegen punkt.de) haben sich im November 2023 auf dem Weg nach Lissabon zum Websummit 2023 gemacht. Der Websummit ist eine Web- und Techkonferenz an der jährlich bis zu 70.000 Menschen über die neuesten Trends, Startups, Innovationen und Technologien sprechen. Dominierendes Thema war dieses Jahr AI – Artificial Intelligence. Immer wieder ging es um eine der Kernfragen zur AI: Vertrauen die Menschen der AI, was sie Jahrzehntelang den Menschen anvertrauten? Und ist die AI der Killer der Kreativbranche?
Insgesamt eine sehr große Vielfalt an Speaker:innen und Veranstaltungen, wenn auch sehr voll (wir haben viel geübt in Schlangen zu stehen ;)). Konferenzen dieser Art sind jedoch immer inspirierend, da man Talks sieht und mit Leuten spricht, mit denen man sonst vielleicht nicht ins Gespräch gekommen wäre. Außerdem ist Lissabon mega schön und wir haben sehr gut gegessen.
In diesem Blog-Post reflektieren wir unsere Eindrücke vom Websummit in Bezug auf Design, der Kreativbranche und AI. In unserem anderen Blogpost geht es um Gesellschaft und AI.
AI als Killer der Kreativbranche
Airah Ashman, CEO des Kreativgiganten Wolff Olins, glaubt daran, dass es schwer ist den Kreativ-Job mit AI zu ersetzen, weil es schwer ist Menschen zu ersetzen. "Serendipity", also das zufällige Auffinden von neuen, kreativen Lösungen ist schwer in einen Algorithmus zu programmieren, weil es von so vielen Zufällen, Intentionen, Bauchgefühlen und Emotionen abhängt. Ashman ergänzt, dass wenn AI kreative Aufgaben in Zukunft übernehmen kann, sie aus diesen Aufgaben eine zusätzliche neue Agentur mit neuem Geschäftsmodell gründen. Interessanter Insight: Viele Modelle werden nicht ersetzt, sondern werden mit anderen Modellen koexistieren.
Weiter stellt sie die Frage in den Raum, wer letztendlich der Künstler, der Ersteller ist? Als Beispiel verweist sie auf ein Kunstwerk namens Fountain von Marcel Duchamp. Zu sehen ist ein mit "R. Mutt" signiertes handelsübliches Urinal. Wer ist hier der Künstler? Duchamp oder die Firma des Urinals? Sie leitet daraus ab AI-Ergebnisse als Rohmaterial anzusehen, aus denen man größere Dinge formen kann.
Transformative Veränderungen ganzer Branchen sind nichts neues, so Dan Gardner von The Code and Theory Network. Mit dem Drucksatz, der digitalen Dunkelkammer und weiteren technischen Fortschritten war Veränderung immer allgegenwärtig. Was aus unserer Sicht aber hier der Unterschied ist, ist die Geschwindigkeit mit der diese Technologien benutzbar werden. Auch wenn die Technologie hinter ChatGPT schon deutlich älter als ein Jahr ist, das Produkt an sich gibt es erst seit 30. November 2022. Und seitdem wurde es bereits mehrfach überarbeitet. Unternehmen haben und werden sich immer wieder verändern, so Dan. Das Agenturmodell wird sich verändern von purem Service-Gedanken zu mehr. Schon jetzt, so der CMO von Qualcomm Don McGuire, stellt dessen PR-Agentur eine Software bereit, die Texte auf bestimmte Parameter überprüft – weg vom Service, hin zum Tool-Lieferanten?
Artifical Specialised Intelligence
Artifical Specialised Intelligence wird in diesem Zusammenhang bei Mutabor diskutiert. Die These, die Mutabor aufstellt, besagt, dass die Agentur in einem Branding Projekt ca. 20% der Arbeit übernimmt. In den 20% ist die Erstellung von Logos, Farben, Fonts, Bildwelten, Tonalität etc. inkludiert. Diese werden in einem Branding Manual dem Auftraggebenden übergeben, die daraufhin 80% der Branding Arbeit übernehmen. Dazu gehören Social Media Beiträge, Flyer Erstellung, Pressemitteilungen, etc. Für diese Tätigkeiten steht oftmals nicht mehr genug Budget zur Verfügung, um eine Agentur miteinzubinden. Das bedeutet, dass 80% der Arbeit mit der Marke von Nicht-Designer:innen erledigt wird und somit Fehler entstehen wie eine nicht konsistente Tonalität, Stockfotos auf Social Media oder Präsentationen mit falscher Typo & Farben.
Um dem Auftraggebenden mehr Unterstützung zu bieten, hat Mutabor ebenfalls ein eigenes AI Tool erstellt: Mutabor AI. Hierbei wird die AI mit ausschließlich Daten des Marken Brandings gefüttert. Die AI kann daraufhin Bilder und Texte basierend auf der individuellen Markendatenbank erstellen. Es werden also Bilder & Texte im Branding der Marke erstellt, die der Auftraggebende für sämtliche Marketing Zwecke individuell generieren kann.
Letztenendes haben wir es oftmals mit mittelständischen Unternehmen zu tun, die nicht gerade zu den Early Adoptern neuer Technologien gehören. Wir Agenturen können somit unser wachsendes Wissen zu AI teilen und beratend unseren Kund:innen zur Seite stehen. Und streng genommen war das als Agentur und als kreativer Sparringspartner immer unsere Aufgabe: Inspirieren, Grenzen verschieben und Impulse setzen.
AI als Allheilsbringer?
AI wird in Unternehmen nicht nur eine Abteilung, wie z.B. das Marketing, berühren, sondern alle. Zudem wird AI es ermöglichen, sämtliche Daten, vor allem aber noch dessen einfache Auswertung, allen Mitarbeitenden zur Verfügung zu stellen. Das wird Silos abbauen und letztenendes das gesamte Unternehmen beflügeln. Was offen geblieben ist, wie die Menschen auf diesem Weg mitgenommen werden können. Schon jetzt stapelt sich die Arbeit auf den Schreibtischen und viele Menschen sind überfordert. Wie können wir sie in dieser schnellen Entwicklung mitnehmen und sicherstellen, dass sie diesen Datenschatz und den Zugang dazu auch aktiv für ihre Arbeit nutzen können?
Dabei wird die AI, so Qualcomm, hybrid funktionieren: Auf dem Gerät und in der Cloud. Spannend wird hier sein, wenn Apple mit den Hype einsteigt und mit einem Schlag auf allen iPhones eine lokale AI verfügbar ist.
Go Meredtih!
Leidenschaftlich, stark und überzeugend hat Meredith Whittaker, CEO des Messenger-Dienstes Signal, auf die Rückfragen zu AI geantwortet. AI sei ein fundamental konzentrierter Markt. Die AI wird dabei in großen Tech-Konzernen entwickelt und von diesen (AWS, Azure) gehostet. Zudem wird die AI auf Modellen trainiert, die ebenfalls von diesen großen Tech-Konzernen stammen. Viel Verantwortung und Konzentration in den Händen weniger. Signal ist ein Beispiel dafür wie es auch anders gehen kann: Privacy First und das Ownership in den Händen vieler.
Zum allgemeinen Hype von AI als Allheilsbringer fand sie folgenden klaren Worte:
Man wird nicht alles mit AI lösen können – und wollen. Das Panel mit Whittaker war eines unserer Highlights des Websummit.
AI als reines Werkzeug
Dan Gardner, Geschäftsführer der Agentur The Code and Theory Network beschreibt, dass wir eine emotionale Intelligenz brauchen, wenn wir mit AI gestalten. Es gibt viele Bereiche, in denen die AI deutlich besser ist als wir: Mustererkennung, Automationen, Algorithmen, Vorhersagen. In anderen Bereichen sind Menschen besser: Empathie, Tonalität, Kreativität, Erfahrungen. In der Überlappung dieser beiden Gebiete liegt die größte Stärke, nicht in der Verschiebung der jeweiligen Domänen zur KI oder zum Menschen. Denn wie soll z.B. eine AI die subtilen Zwischentöne in einer Textnachricht korrekt interpretieren, wenn bereits wir Menschen häufig daran scheitern.
AI wird eine kognitive Unterstützung, keine menschliche Alternative
Es geht letztenendes um die Kollaboration mit AI und nicht die Ersetzung von Menschen. Die Aneignung von neuem Wissen und Fähigkeiten wird sich enorm verschnellern und somit können Anfänger:innen / Jobeinsteigern enorm schnell Expert:in in einem bestimmten Gebiet werden. Fragt sich nur, was eine:n Experten/Expertin dann ausmacht. Vielleicht verschiebt sich auch hier die Grundlinie. Vor allem aber wird die Generation Z davon profitieren. Die Frage, die sich Moojan Asghari, Gründerung und CEO von Women in AI / Thousand Faces, stellt ist wie wir alle mitnehmen können? Es muss eine neue Kultur erschaffen werden, in welcher Neugier (“Ich möchte etwas neues ausprobieren”) und Scheitern (“Das hat wohl nicht so gut geklappt”) Hand in Hand gehen. Denn Scheitern wird zentraler Besandteil unserer Arbeit mit AI in der näheren Zukunft sein, da die Technologien immer noch am Anfang stehen.
Gardner sagt, dass die erfolgreichsten Unternehmen in den nächsten 5 Jahren AI nutzen werden, um vergangene und momentane Verhaltensweisen ihrer Kund:innen zu analysieren und daraufhin Produkte, Erfahrungen und Lösungen zu entwickeln, die das Kundennutzen antizipiert.
In dieser Welt checkt eine Familie in ein Hotel ein und das Zimmer ist bereits nach deren antizipierten Wünschen eingerichtet und die Aktivitäten des Tages geplant. Wir sind uns unsicher, ob dies super ist oder auch jegliche spontane Entdeckung dadurch zerstört wird. Vielleicht kommt es auf den Kontext und den Moment an. Diese Überlegungen zeigen deutlich, dass Überraschungen menschlich sind, einen Mehrwert haben und uns begeistern können. Es wäre schade, wenn wir das verlieren. Beim Musikstreaming oder Netflix ist dieser Trend bereits zu erkennen, dass ich nur das vorgeschlagen bekomme, was mich (wahrscheinlich) sowieso interessiert. Kein Raum mehr für Entdeckungen, für "Serendipität".
Transformation gestalten
"Transformation is about transforming the hearts and minds of people" – mit diesen erfrischen Worten begeisterten die Kollegen von Collins auf der Bühne. Mittlerweile ist Collins eine Transformations-Agentur, keine reine Designagentur. Deren Konzept funktioniert dabei so, dass sie einen Chief Transformation Officer bereitstellen und gemeinsam mit dem Kunden entwickeln wo es Business-Chancen in der Zukunft gibt und dann die Firma gezielt dorthin transformieren. Ein großer Teil der Arbeit findet dabei in der Diagnose der Transformation an sich statt – welcher Typus liegt vor, was ist die makroökonomische Veränderung, die diese Veränderung notwendig macht?
Wichtig ist besonders den Willen zur Veränderung mit aufzubauen:
- What is the believe system thats driving this change?
- What is intermediate near time things what the company wants to achieve?
- Whats the technical possibilites of the company?
Dabei geht es um "Story, Systems and Symbols", also inhaltliche Aspekte, aber auch visuelle Zeichen, wie ein Logo und Systeme, die in den Unternehmen vorherrschen. Eine allumfassende Betrachtungsweise. Kreativität hilft ihnen dabei an vielen Stellen diese Transformation zu begleiten und zu visualisieren: "Creativity is a tool that disrupts poor habits with originality".
Diese Vision zur Veränderung müssen alle im Unternehmen spüren: Mitarbeitende, Kund:innen, Analysten, Stakeholder usw. Weitere viele gute Ideas gibt es auf der Webseite von Collins: Ideas
Auch Airah Ashman, CEO von Wolff Olins hat über das Thema Transformation gesprochen. Ihr Ansatz stellt noch stärker die Marke in den Vordergrund. Sie beschreibt Marken an verschiedenen Stellen ihrer Entwicklung:
- Early Stage: Brand helps you define the opprtunity
- Scale: Brand helps you increase your trajectory
- Maturity: Brand helps you establish your market leadership
- Renewal: Brand helps you achieve new sources of growth
Transformation fasst sie in folgenden drei Aspekten leicht verständlich zusammen:
- Brand: Create your future
- Culture: Inspire your people
- Experience: make it real
Den Blogbeitrag zum Websummit mit dem Fokus Gesellschaft findet ihr hier.